Abschnittsübersicht

  • Lernziele

    Wir wollen Dir helfen, die wichtigsten Symptome, Verlaufsformen und Komplikationen der Glomerulonephritiden (GN) zu lernen.
    Nach dem Durcharbeiten dieser Lerneinheit solltest Du folgende Fragen beantworten können:

    • Nenne die zwei obligaten Symptome der akuten GN!
    • Nenne drei fakultative Symptome der akuten GN!
    • Kannst Du die Symptome der GN erklären?
      Wie kommt es zu
      • Makrohämaturie?
      • Proteinurie?
      • Ödemen?
      • Hypertonie?
      • Nierenschmerzen?
    • Welche sind die drei häufigsten klinischen Verlaufsformen der chronischen GN?
    • Welche langzeitigen Medikamente können - außer Analgetika - eine interstitielle Nephritis auslösen?

      Viel Spaß beim Lernen!


    Glomerulonephritiden: seltene Krankheiten, nicht seltenes Prüfungsthema!

    In dieser Lerneinheit werden die wichtigsten Aspekte der Glomerulonephritiden (GN) vorgestellt, die eine Untergruppe der Glomerulopathien sind. Glomerulopathien sind keine häufigen Erkrankungen. Zum Beispiel geht aus einer Studie[1] aus den Jahren 2003 bis 2008 in Mecklenburg-Vorpommern (Einzugsgebiet Schwerin) eine Prävalenz[2] der Glomerulopathien - zum 31.12.2008 - von 26,5 pro 100.000 Einwohner hervor. Das entspricht 0,265 %o. Von den untersuchten Patienten (in dieser Studie) hatten 63 % eine primäre, 31,5 % eine sekundäre Glomerulonephritis (vaskulär bedingt - z. B. bei Diabetes mellitus, oder systemisch - z. B. bei einer Kollagenose wie Lupus).

    Die Glomerulonephritis als solche ist allerdings die häufigste Ursache für eine terminale Niereninsuffizienz. Deshalb ist wohl die GN innerhalb des Harnapparates ein häufiges Prüfungsthema.

    Es gibt mehrere Einteilungen der Glomerulonephritiden. Sie sind primär oder sekundär, angeboren oder erworben, und außerdem histologisch sehr unterschiedlich. In der Nephrologie werden sie meistens nach histologischen (geweblichen) Gesichtspunkten eingeteilt, denn davon hängt größtenteils ihre Prognose ab: Minimal-Change-GN, Membran-Proliferative GN, Mesangio-Proliferative GN, Fokal-Segmentale Glomerulosklerose, um nur einige zu nennen. Wir beschränken uns hier auf eine Einteilung nach dem Verlauf (akute GN, chronische GN) und fügen als weitere entzündliche Erkrankung des Nierenparenchyms die Interstitielle Nephritis (Analgetikanephropathie) hinzu; diese ist keine Glomerulopathie, kann aber wie eine GN mit einer chronischen Niereninsuffizienz enden.

    [1] Schweisfurth, Anna: "Epidemiologie und Prognose der Glomerulonephritis unter evidenzbasierter Therapie in Westmecklenburg"  (Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Medizin an der Universität Rostock, Rostock 2010)
    [2] Anzahl der Erkrankten zu einem bestimmten Zeitpunkt

    MindMap Glomerulonephritiden Einteilungen und Verläufe

    MindMap Glomerulonephritiden - Einteilungen und Verläufe. Copyright: arche medica Berlin

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    Akute Glomerulonephritis

    Die Vorgänge im Einzelnen sind bei den meisten Glomerulonephritiden nicht geklärt, bekannt sind jedoch verschiedene zugrunde liegende Mechanismen, bei denen immer das Immunsystem beteiligt ist. Das heißt, der Körper greift die Nieren selbst an.

    Die weitaus größte Gruppe ist dadurch gekennzeichnet, dass sich Immunkomplexe bilden, die an den Glomeruli Entzündungsreaktionen verursachen. Diese Antigen-Antikörper-Komplexe können als Folge anderer Krankheiten (z. B. Streptokokkeninfekt, Lupus erythematodes, Periarteriitis nodosa, Purpura rheumatica) durch gegen Bakterienantigene gebildete Antikörper entstehen, im Blut zirkulieren und sich an den Nierenkörperchen ablagern. Dort setzen sie eine Reihe schädigender Mechanismen in Gang.

    Seltener (ca. 5 %) wird eine Glomerulonephritis durch Autoantikörper gegen die Basalmembran des Glomerulus verursacht, die sich streng linear an die Membran binden und zu deren Schädigung führen (Anti-Basalmembran-Antikörper-Nephritis sowie Anti-GBM-Nephritis; auch isoliert als rasch fortschreitende extrakapilläre Glomerulonephritis).

    Weitere Formen der Glomerulonephritis werden über aktivierte T-Zellen oder Komplement verursacht.

    Es existiert eine Vielzahl verschiedener Glomerulonephritiden, die sich diesen Mechanismen unterordnen lassen, aber im Einzelnen sehr unterschiedlich verlaufen, unterschiedliche mikroskopisch sichtbare Veränderungen zeigen, verschieden behandelt werden und sich hinsichtlich der Prognose unterscheiden. Auf der anderen Seite kann eine Glomerulonephritis vorwiegend als primäre oder als sekundäre begleitend bei Systemerkrankungen (z. B. Kollagenose, Goodpasture-Syndrom) ablaufen, wobei wiederum das breite Spektrum der Verlaufsformen abgedeckt werden kann.

    Definition

    Abakterielle Entzündung der Nierenkörperchen (Glomeruli); vorwiegend junge Menschen bis zum 30. Lebensjahr betroffen

    Ursachen           

    • Poststreptokokken-Glomerulonephritis
      Zweiterkrankung nach einer Streptococcus-pyogenes-Infektion (ß-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A). Seltener sind andere Erreger ähnlich beteiligt (Corynebakterium diphtheriae, Masern-Virus, Salmonella typhi, Leptospira, Rickettsia prowazeckii, u. a.). Die Prognose ist gut.
      Diese akute Glomerulonephritis ist die Folge einer Immunkomplexablagerung in den Glomeruli (Immunkomplexe sind histologisch nachweisbar). Aus diesem Grund gehöhrt sie nicht zu den Organbeteiligungen des rheumatischen Fiebers
      → Kurs Bewegungsapparat
      , Pathologie LE 11 Akuter Gelenkrheumatismus (Rheumatisches Fieber)
    • Autoimmunerkrankung, seltenere Form der akuten Glomerulonephritis. Es werden von körpereigenen Plasmazellen Antikörper gegen die Basalmembran der Glomeruli gebildet. Der Verlauf ist meist perakut und führt in kurzer Zeit zum Nierenversagen mit Dialysepflicht (rasch progrediente Form). Die Prognose ist schlecht.
    • Eine weitere Ursache stellt der Diabetes mellitus dar.

    Symptome                

    Nicht selten sind symptomarme und symptomlose Verläufe.

    Durch die Entzündung wird die Basalmembran durchlässiger für Blutzellen und Eiweiße, man unterscheidet

    • Obligate Symptome: Makrohämaturie, Proteinurie, Zylindrurie
    • Fakultative Symptome: Oligurie, Ödeme, Hypertonie, evtl. Schmerzen im Nierenlager (DD: Klopfschmerz eher Pyelonephritis), Müdigkeit, Kopfschmerzen

    Ein mittlerweile rein historischer Begriff ist die Volhard-Trias (auch: Bright-Trias), bestehend aus Hämaturie, Proteinurie und Ödemen.

    Erklärung der Symptome

    • Makrohämaturie: durch erhöhte Durchlässigkeit der Basalmembran sind Erythrozyten im Urin sichtbar
    • Proteinurie: erhöhte Permeabilität der Basalmembran für Bluteiweiße, v. a. für die Albumine als kleinste Proteine. Eine Proteinurie (Proteine ↑ im Urin) führt zur Hypoproteinämie (Proteine ↓ im Blut).
    • Zylindrurie: Zylinder sind Ausgussformen der durch die Tubuli zusammengepressten Erythrozyten. Die Ursache für die Erythrozyturie liegt damit proximal vom Tubulus, d. h. im Glomerulus.
    • Hypertonie: Durch den Eiweißverlust entsteht eine Hypovolämie, die das RAAS verstärkt aktiviert. Es kommt zu einer Natrium-Retention und damit zu Hypertonie. Bei der renalen Hypertonie ist die Erhöhung des diastolischen Drucks typisch.
    • Nierenschmerzen: Durch den erhöhten Kapseldruck kann es zu Schmerzen im Nierenlager kommen.
    • Müdigkeit und Kopfschmerzen sind unspezifische Krankheitszeichen

    Komplikationen

    • akutes Nierenversagen (Dialysepflicht)
    • nephrotisches Syndrom
    • selten: Übergang in chronische Glomerulonephritis

    Verläufe

    • Ausheilung
    • oder: siehe Komplikationen
    • Sonderform: Die rapid-progressive Glomerulonephritis hat einen schnellen Verlauf und führt häufig in Wochen oder Monaten zum Tod durch Niereninsuffizienz.

    Diagnose

    • UrinuntersuchungBlutuntersuchung: BSG ↑, Leukozytose möglich, Kreatinin und Harnstoff ↑ (beginnende Niereninsuffizienz), Antistreptolysin-Titer (AST), Auto-Antikörper durch immunologische Tests nachweisbar. Blutduckmessung (Hypertonie).
      Hämaturie
      Proteinurie
      Harnsediment: Erythrozyten-Zylinder
    • Blutuntersuchung: BSG ↑, Leukozytose möglich, Kreatinin und Harnstoff ↑ (beginnende Niereninsuffizienz), Antistreptolysin-Titer (AST), Auto-Antikörper durch immunologische Tests nachweisbar. Blutduckmessung (Hypertonie).

    Therapie

    • Abhängig vom Typ. Behandlung der Grunderkrankung.
    • Penicillin (Post-Streptokokken-GN), Immunsuppressiva (Autoimmun-GN), Kortikoide, Kochsalz ↓, Blutdruck ↓
    • Ggf. § 34 IfSG beachten (Behandlungsverbot bei pyogenen Streptokokken); Antibiotikapflicht
    Chronische Glomerulonephritis

    Definition

    • über Jahre schleichend progressive Glomerulonephritis unklarer Genese, häufig Zufallsbefund bei Routineuntersuchungen, vorwiegend junge Menschen unter 30 Jahren betroffen

    Ursachen

    • Unklar. In der Mehrzahl der Fälle findet sich keine akute Glomerulonephritis in der Anamnese.

    Symptome

    • Mikrohämaturie und Proteinurie. Das klinische Bild der Krankheit ist individuell sehr variabel, grob können drei Verlaufsformen unterschieden werden
      • Hypertone Verlaufsform: Es kommt zum renalen Hochdruck (Eiweißverlust → Hypovolämie → RAAS → Na+-Retention + Vasokonstriktion → Hypertonie). Komplikationen: Herzinfarkt, Schlaganfall
      • Ödematöse Form: Es kommt zum Absinken des kolloidosmotischen Druckes durch Hypoproteinämie. Komplikationen: Lungenödem, akute Linksherzinsuffizienz
      • Nephrotische Form: Es kommt zur großen Proteinurie (sowohl Albumine als auch Globuline) und damit auch zum Absinken der γ-globuline (Antikörper). Komplikationen: Infektanfälligkeit, Abwehrschwäche

    Diagnose

    • Labor (Blut, Urin)
    • Ultraschall
    • Biopsie

    Komplikationen

    • Nephrotisches Syndrom
    • Chronische Niereninsuffizienz (CNI, chronisches Nierenversagen)

    Therapie            

    Meist ist keine ursächliche Therapie verfügbar, symptomatische Behandlung des Bluthochdrucks. Flüssigkeitsbeschränkung und kochsalzarme Diät sind manchmal nützlich, eine normale Flüssigkeitszufuhr (2 l/d) kann aber auch zur Erhaltung der Nierenfunktion angezeigt sein. Die Ausheilung ist schwierig und weitere Schäden müssen vermieden werden. Die meisten Patienten entwickeln unvermeidlich eine chronische Niereninsuffizienz und sind dialysepflichtig.

    Interstizielle Nephritis (Analgetikanephropathie)

    Eine langjährige Einnahme von Analgetika kann Nierenschäden verursachen. Schmerzmittel drosseln die Durchblutung der Nieren und dadurch die Harnproduktion somit stauen sich Wasser und Mineralstoffe im Körper. Dies stellt eine Belastung dar, die im schlimmsten Fall zum Nierenversagen führt. Auch Antibiotika, harntreibende Arzneimittel (Diuretika) sowie Gicht- und Rheumamittel können die Nieren schwächen.

    Definition         

    Abakterielle, meist medikamenteninduzierte, Entzündung von Nierentubuli und Interstitium. Sind Bakterien ursächlich, so handelt es sich um die Pyelonephritis.

    Ursachen

    • Chronischer Analgetikamissbrauch
    • Antibiotika
    • Diuretika
    • Zytostatika

    Symptome

    • im Frühstadium oft ohne Symptome
    • leichte Anämie
    • Kopfschmerzen, Müdigkeit
    • schmutzig-braune Hautfarbe

    Komplikationen

    • Papillennekrose mit Flankenschmerz, Fieber und Hämaturie
    • Tubulusschädigung
    • Niereninsuffizienz
    • gehäuftes Auftreten von Urotheliomen und Mammakarzinomen

    Diagnose

    • Urin: Leukozyturie ohne Bakteriurie, Erythrozyturie, evtl. Proteinurie

    Therapie

    • ursächlich: Absetzen der auslösenden Medikamente (wenn möglich!)
    • symptomatisch: Dialyse bei Niereninsuffizienz